Der Autor wurde 1967 in Horstmar/Kreis Steinfurt im Münsterland geboren. Heute lebt er im Steinfurter Ortsteil Borghorst. Er ist Bundespolizist und versieht seinen Dienst bei der Bundespolizei – Inspektion Münster am Flughafen Münster - Osnabrück.

Der Autor ist Mitglied im Bundesverband junger Autorinnen und Autoren in Bonn. Weiterhin ist er Fördermitglied bei den 42er Autoren seit 2003 und Mitglied im Kunstverein Steinfurt.

Von 1997 bis 2001 absolvierte er das Fernstudium „Die Große Schule des Schreibens“ bei der Akademie für Fernstudien in Hamburg. Im Anschluss die
„Große Weltbild Autorenschule“ in Augsburg. Auch die lyrische Versdichtung gehört zu seinen Leidenschaften.

Es entstanden zahlreiche Veröffentlichungen in unterschiedlichen Anthologien. Seine ganze Leidenschaft gehört dem Schreiben von Regionalkrimis, Kinder –
Jugendbücher und fantastischen Thrillern.

2002 erschien das Kinder – und Jugendbuch „Der kleine Ritter – die Suche nach dem Orgamon“.

2005 der fantastische Thriller „Die Rückkehr des gefallenen Engels“.

Mit dem fantastischen Thriller „Bromheges Fenster“ legt der Noel – Verlag ein neues Werk des Autors vor.

Interessante Informationen
über den Autor und das Schreiben, finden die Leser/innen auch

auf www.frankzumbrock.de.


ISBN 978-3-940209-66-5
204 Seiten
Preis 14,90 €
Taschenbuch
erschienen im NOEL-Verlag, www.noel-verlag.de


Klappentext:
Nach seiner Pensionierung bei der Duisburger Kripo zieht Martin Krüger mit seiner Frau Isabelle in ein romantisches
Wasserschloss, welches er von seinem Onkel geerbt hat.
Das Anwesen liegt inmitten von Wäldern, Wiesen und
Feldern, in der prächtigen Parklandschaft des Münsterlandes.
Dem Glück des frisch pensionierten Ehepaares scheint nichts mehr im Wege zu stehen.

Doch der Schein trügt.

 
In den Mauern des Schlosses schlummert seit Jahrhunderten etwas Bösartiges und der Zeitpunkt ist gekommen, wo es erwacht. Das Böse hat einen Namen: „Julian von Bromhege“.
Der Fürst der Finsternis, der Unheil und Mord über die Menschen bringt. 

Martin Krüger wird selbst zu einem Handlanger und Werkzeug dieser schreck-lichen Inkarnation.



Es regnete schon den ganzen Morgen und die Stadt glich einem grauen, tristen Ungeheuer. Trotz des schlechten Wetters herrschte auf der Gauslingallee ein reger Passantenverkehr. Das Polizeipräsidium und die Kriminaldauerwache befanden sich in einem alten Sandsteinbauwerk aus dem letzten Jahrhundert. Just in diesem Augenblick kehrten zwei Streifenwagen zum Präsidium zurück.

Martin Krüger rannen die Tränen über seine Wangen. Sein Alter zu schätzen war allerdings für einen außenstehenden Betrachter ziemlich schwer. Krüger war trotz seiner sechzig Jahre muskulös und kräftig, was auf das wöchentliche Training asiatischer Kampfkünste zurückzuführen war. Zuletzt hatte er sich dem Kendotraining verschrieben. Doch in dieser Woche beschäftigte ihn etwas ganz Anderes. Ja, etwas ganz Anderes bedrückte ihn und er hätte nie gedacht, dass dieser Tag einmal so schnell kommen sollte.  Entlassung in den wohlverdienten Ruhestand hieß es.     

Martin hatte immer noch seine dichten, blonden Haare und auch die Falten hatten ihn weitestgehend verschont. Dies war leider seine letzte Woche als Kriminalhauptkommissar.

 

Der Regen draußen war nun wieder stärker geworden und das  steigerte die Niedergeschlagenheit umso mehr. Es klopfte an der Tür und Martin rief „Herein!“

Sein Kollege Josten steckte den Kopf zur Tür herein und grinste. „Hallo Martin! Wie fühlt man sich denn so, wenn man diesen Saftladen schon bald verlassen darf?“

Krüger schüttelte den Kopf. „Nun ja Karlo, ich hatte hier wirklich schon bessere Tage erlebt. Aber es ist schon ein verdammt komisches Gefühl. Ich meine, ab nächste Woche muss ich mir auch dein dummes Geschwätz nicht mehr anhören. Das Ganze hier wird mir schon fehlen!“

Karlo Josten nahm auf dem Stuhl Platz, auf dem sonst nur die Delinquenten hockten. Er strich sich nachdenklich über das Kinn. „Martin! Du kannst wirklich froh sein, dass dies deine letzte Woche ist. Denk allein an die Personalreform, die uns ins Haus steht. Es wird alles nicht mehr besser bei Vater Staat. Keine Kohle heißt schließlich auch keine Beförderungen! Du kannst froh sein, dass du deinen Hauptkommissar noch ruhegehaltsfähig bekommen hast. Zusammen mit Isabelle habt ihr jeden Monat einen Haufen Zaster, davon träumen andere Leute nur!“

Martin wusste, dass sein junger Kollege Recht hatte. Er nickte. „Hast ja recht Karlo! Wir hätten auch gerne, wenn wir gekonnt hätten, na ich meine, gerne Kinder gehabt. Isabelle spricht noch heute davon.“

Josten verschränkte seine Arme und grinste wie ein Honig-Kuchen-pferd. „Natürlich bin ich glücklich über unsere beiden Kinder. Doch ich kann dir sagen, wir hatten so manche schlaflose Nacht!“

Martin Krüger blickte seinen Kollegen grimmig an und schnaubte: „Das meinst du doch wohl nicht etwa ernst? Ansonsten werde ich dich gewaltsam aus meinem Büro entfernen!“

Karlo Josten sprang auf. Er hastete zur Tür. „Der Hauptkommissar wird doch wohl auf seine letzten Tage nicht zu Gewalttaten neigen? Bis später, ich muss noch einmal runter ins Labor.“ Josten verschwand.

Martin Krüger setzte sich hinter seinen Schreibtisch und musste sich eingestehen, dass er diesen Karlo ganz sicher vermissen würde. Voller Trauer blickte er zum Fenster und der Regen klopfte monoton gegen das Glas. Nur der Schein des Blaulichtes erweckte die Tropfen zu einem kurzen Eigenleben.

 

Erneut musste sich ein Streifenwagen in das Duisburger Verkehrschaos begeben, wo es nur so vor neuen Baustellen wimmelte. In den letzten Jahren hatte sich hier alles verändert, die Menschen mit eingeschlossen. Die Kriminalitätsrate hatte eine bedrohliche Steigerung erlebt. Viele Menschen hatten weniger Geld. Auch Arbeit gab es hier viel zu wenig. So warteten die Leute auf ein Wunder.

Martin Krüger lehnte sich ans Fenster und konnte immer noch nicht glauben, dass er bereits in der kommenden Woche als Pensionär daheim saß. Nicht nur er, sondern auch seine Frau Isabelle. Sie hatte bereits vor sechs Monaten ihre Pension angetreten.

Plötzlich wurde Krüger aus seinen Gedanken gerissen, als das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte.

„Krüger! Ja ich bin sofort unterwegs!“ Es war die Kriminaldauerwache. Josten und er wurden zu einem Einsatzort gerufen. Karlo eilte seinem Chef bereits entgegen. 

„Drei Streifen der Schutzpolizei sind schon vor Ort. Geiselnahme oder so was! Ein junger Familienvater hat seine beiden Kinder und seine Ehefrau als Geiseln genommen. Das Sondereinsatzkommando ist verständigt!“

Martin nickte. Die beiden nahmen den Fahrstuhl in die Tiefgarage. „Hätte nicht gedacht, dass ich in der letzte Woche noch so ein Bonbon bekomme!“

Sie erreichten den dunkelblauen VW-Passat und steckten das Blaulicht aufs Dach. Als der Wagen die Garage verlassen hatte, ging es direkt an einer nicht endenden Blechlawine vorbei.

„Möchte mal gerne wissen, wo die alle bei diesem Sauwetter hinwollen? Bei so einer Brühe schickt man doch nicht einmal seinen Hund auf die Straße!“ An der nächsten Kreuzung mussten sie scharf abbremsen.

Die alte Dame musste schwerhörig sein, denn sie überquerte die Straße trotz des Verkehrslärms. Auch das Martinshorn des zivilen Dienstwagens hörte sie nicht.

Josten wurde ungeduldig. „Ja wird das denn heute noch was? Die bewegt sich ja wie eine Schnecke über die Straße!“

Endlich war die Straße wieder frei. Ihr Wagen bog in eine ehemalige Zechensiedlung ein, die allerdings nur noch einen symbolträchtigen Charakter hatte. Das ehemalige Bergwerk war zu einem Museum umfunktioniert worden. Die Menschen, die heute in dieser Siedlung lebten, entstammten bereits der nächsten Generation. Das heißt, ihre Mütter und Väter waren einmal im Bergarbeitermilieu verwurzelt gewesen. Arbeit war in dieser menschenreichen Region schon so etwas wie ein Fremdwort geworden. Viele Leute hatten Duisburg im Laufe der Jahre einfach den Rücken gekehrt.

Es standen bereits drei Streifenwagen in unmittelbarer Nähe eines heruntergekommenen, grauen Reihenhauses. Das typische, klischeegeschwängerte Haus.

Krüger überprüfte seine Dienstwaffe in gewohnter Manier.

Josten folgte seinem Beispiel.

„Wir reden erst einmal mit den Kollegen von der Streife und warten dann ab, bis das SEK hier eintrifft. Schließlich wissen wir absolut nicht, wie dieser Typ als Mensch konstituiert ist.“

Josten zündete sich nervös eine Zigarette an. „Ja Chef! Wir werden die ganze Sache am besten behutsam angehen. Ich glaube, ich habe den Typen gerade am Fenster gesehen!“

Krüger folgte dem Blick seines Kollegen, doch er konnte nichts erkennen. Unmittelbar neben dem Haupteingang zum Haus befanden sich zwei verwilderte Blumenbeete. Dort hatten sich bereits sechs Polizisten postiert. Von hier aus hatte man den Eingang des Mietshauses in gutem Sichtfeld.

Martin Krüger erkannte eine alte Bekannte. Frau Polizeioberkommissarin Melanie Stützer. Als er sich der Kollegin näherte, ertönte im Haus ein krachender Schuss.

„Verdammt! Dieser Drecksack kann doch nicht einfach so rum-ballern, das steht schließlich in keinem Drehbuch! Was ist mit dem SEK?! Nun fielen weitere Schüsse.

Martin Krüger zog sich der Magen zusammen.

Josten und die übrigen Polizisten hatten ihre Dienstwaffen in Anschlag gebracht. Die Situation erforderte ein schnelles und effizientes Handeln.

„Also! Absolute Eigensicherung ist jetzt angesagt! Alle bleiben schön dicht zusammen! Wir müssen jetzt retten, was noch zu retten ist! Vielleicht werden wir anschließend vom Einsatzkommando abgelöst!“ Martin Krüger ahnte allerdings, dass sich die ganze Situation anders abspielen sollte. Er hatte es im Urin, wie man so schön sagte. In schulungsmäßiger Formation sicherten die Polizisten das Treppenhaus. Hier und dort steckte ein neugieriger Hausbewohner den Kopf aus der Tür, zog ihn beim Anblick der Polizisten aber rasch zurück.

„Martin! Das muss die Wohnung sein! Das haben die von der Dauerwache auch gesagt, oder?!“ Karlo Josten war adrenalingesteuert, die anderen Polizisten natürlich auch.

Nur Krüger wunderte sich über sich selbst. Er spürte plötzlich diese innere Ruhe, die er schon fast als einen persönlichen Frieden empfand. Dieses Gefühl war unbeschreiblich. Martin durchströmte eine Wärme und dann fiel ein erneuter Schuss.

Das Finale musste beginnen! Doch die Sekunden kamen Martin Krüger wie eine Ewigkeit vor. Er spürte den heißen Atem von Karlo Josten in seinem Nacken. Die Anspannung hier drinnen war fühlbar und schmerzte Krüger bei jedem Atemzug.

 

Wieder durchbrach ein lauter, krachender Schuss die von Anspannung geschwängerte Luft im Treppenhaus. Hinter der sich vor ihnen befindlichen Wohnungstür fiel  etwas Schweres zu Boden. Martin Krüger wusste sofort, um was es sich handeln konnte. Vor seinem geistigen Auge konnte er deutlich erkennen, wie ein menschlicher Körper auf den Boden aufschlug. Was nun folgte, hätte jedem gutsituierten Polizeiausbilder das Herz brechen müssen. Martin Krüger stürmte auf die verschlossene Wohnungstür zu. Er trat auf das morsche Holz der Tür ein.

Die anderen Polizisten folgten ihrem Chef. Sie sicherten die Wohnungstür, die trotz ihrer maroden Beschaffenheit nicht sofort nachgegeben hatte. Aber der zweite Tritt brachte den gewünschten Erfolg. Mit einem gewaltigen Radau flog die Tür nach innen auf.

In der Wohnung herrschte Finsternis. Vermutlich hatte man der Familie den Strom abgeschaltet. Nirgendwo funktionierte ein Lichtschalter.

Martin Krüger stieg der süße Geruch direkt in die Nase. Es war der Geruch des Todes. Und dann diese Stille, da hatte wirklich jemand ganze Arbeit geleistet, dachte Krüger.

Karlo Josten war direkt hinter ihm. Die Polizisten hatten immer noch ihre Waffen für den Fall der Fälle im Anschlag.

Krüger schaltete seine Mag-Lite ein. Der Lichtstrahl fiel direkt auf den großen, leblosen Körper, der auf dem Holzfußboden der Diele lag. Ringsherum hatte sich eine große Blutlache gebildet.

„Wegen der Spuren müssen wir jetzt unbedingt aufpassen!“

Auch das Wohnungsinventar schien direkt von der Sperrmüllhalde zu stammen. Die Not und das Elend spiegelten sich hier sehr deutlich wider.

Krüger atmete tief durch. Die Folge war ein anfallartiger Husten und er presste sich das Taschentuch fest vor den Mund.

Die Routine hatte gesiegt.

Krüger fühlte am Hals des Mannes vergeblich nach dessen Puls. „Er ist mausetot! Karlo wir müssen jetzt zwar schnell aber mit absolutem Fingerspitzengefühl vorgehen. Ihr anderen wartet hier!“

Josten verstand sein Handwerk und klopfte Krüger freundschaftlich auf die Schulter.

Der Anblick der Wohnung war grauenhaft. Die Wände waren blutverschmiert. Zuerst fanden sie die Ehefrau, die dem Umfeld nach zu urteilen, versucht hatte, sich gegen ihren Peiniger zu wehren. Das Schlimmste sollte noch folgen. Ein Anblick, der jeden Menschen tief erschütterte. Die Kinder.

Krüger musste würgen. Warum mussten die durchgeknallten Erwachsenen immer wieder die unschuldigen Kinder mit reinziehen? Das Szenario war einfach unvorstellbar und Josten liefen die Tränen über die Wangen.

 „Verdammter Mist! Ich bin mir absolut sicher, dass ich den falschen Beruf ergriffen habe! Warum kann so ein Scheißer nicht alleine abtreten?!“ Krüger schluckte mehrmals. Er fand keine passenden Worte. Nach einer geraumen Weile stammelte er: „Ich habe nie begriffen, warum Menschen zu solchen Taten in der Lage sind.“

Die Ehefrau übertraf alles bisherige, was Krüger in seiner Kriminallaufbahn gesehen hatte. Weder Josten noch er konnten die genaue Todesursache der Frau erkennen. Sie lag direkt neben der Badewanne. Ihr ganzer Bauch war mit einem sehr scharfen Gegenstand, vermutlich einem Messer, aufgeschlitzt worden.

Krüger musste erneut würgen und nun siegte sein Wille zum Kotzen. Er stürzte auf den Balkon. Tränen schossen in seine Augen. Im Hintergrund würgte nun auch Josten.

Martin nahm das Handy und wählte die Nummer des Leiters der Spurensicherung.

Gersting war persönlich dran. „Wir werden jetzt den Tatort absperren und die schreckliche Wohnung verlassen!“ Martin raste nach wie vor das Herz.

Karlo hatte nun die letzten Überreste seines Frühstücks verloren. „Karlo! Geht es dir wieder besser oder muss ein Arzt kommen, das ist jetzt allerdings eine ernstgemeinte Frage?“

„Nein, nein Chef! Es geht schon wieder einigermaßen. Ich kann nur das ganze Blut und diesen ganzen Wahnsinn nicht mehr so ab!“

Die beiden Kripobeamten verließen die Wohnung. Sie gaben den uniformierten Kollegen die Instruktionen. „Die Rettungskräfte und Gersting werden gleich hier sein! Wichtig ist, dass kein Unbefugter das Haus betritt. Damit meine ich auch die Leute von der Presse und haltet die Augen auf! Vielleicht sind auch Verwandte der toten Opfer im Anmarsch!“

Martin Krüger und Karlo Josten mussten erst einmal frische Luft schnappen. Der kühle Windhauch schlug den beiden in die Gesichter. Martin Krüger bot seinem jüngeren Kollegen eine Zigarette an. Josten winkte jedoch ab. „Du hast dir immer noch das Rauchen nicht abgewöhnt Martin? Als Pensionär gibt es dann bestimmt eine stilvolle Pfeife, oder?“

Bereits beim ersten Zug musste Krüger husten.

Karlo Josten grinste triumphierend.

Insgeheim wusste  Martin, dass der Kollege recht hatte. Das gottverdammte Quarzen begleitete ihn nun schon eine Ewigkeit. Just in diesem Augenblick bogen die Wagen der Spurensicherung in die Straße ein. Auch die lokale Presse war bereits vor Ort. Von allen Seiten näherten sich jetzt die Gaffer dem Zechenhaus. Krüger begrüßte den Notarzt. Anschließend die Kollegen von der Spurensicherung. Gemeinsam betraten sie erneut den grauenvollen, makaberen Tatort.

Gersting zog eine wütende Miene und ähnelte einem tollen und schnaufenden Stier. Er brummte vor sich hin. „Du hast bereits die Leichen wieder angefasst, oder? Das hast du bis zu deiner Pensionierung immer noch nicht im Griff! Apropos Pensionierung, wie lange musst du denn noch?“ Seine Frage hatte gesessen.

Martin fühlte sich schlagartig niedergeschlagen. „Das ist jetzt meine letzte Woche, dann ist es das gewesen!“

Gersting klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter. Dann begab er sich unverzüglich mit seinen Leuten an die Tatortuntersuchung.

Die Kollegen von der Streife wurden nicht mehr alle benötigt. Nur zwei Leute sperrten den Eingang ab. Die anderen Polizisten verabschiedeten sich und fuhren zurück zum Duisburger Polizeipräsidium.

 

Josten blickte Martin Krüger erwartungsvoll an. „Schlimme Sache im Haus! Mir ist jetzt noch speiübel, dir bleibt in deiner letzten Woche bei der Kripo wohl nichts erspart, wie?!“

„Ja Karlo, so kann es halt kommen! Mir tun nur diese unschuldigen Kinder leid, die für ihren durchgeknallten Vater das Leben lassen mussten. Ich denke, wir fahren jetzt erst einmal zum Präsidium zurück. Gersting und die Leute dürfen jetzt nicht gestört werden.“

Als die beiden Männer zu ihrem Wagen liefen, fiel Krüger ein PKW besonders ins Auge. Ein schwarzer Volvo. Nun wusste er auch, mit wem sie es zu tun hatten. Gerrit Börger von der Bildzeitung. Ein ziemlicher Schnösel.

Martin war froh, dass er bald mit diesen Presseheinis nichts mehr zu tun hatte. Wenigstens auch mal ein erfreulicher Lichtblick des Ruhestandes.

„Kommissar Krüger! Können sie schon etwas zu dem Mord in dem Haus sagen? Gibt es ein Motiv für diese Familientragödie?“

Der Typ wusste schon viel zu viel.

Woher wusste er, dass es sich um eine Familie handelt? Dass ein Mord geschehen war, aber woher? Krüger wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, ob Börger nur blaffte.

„Es tut uns leid, so lange die Ermittlungen noch auf Hochtouren laufen, können wir noch keine Angaben zum vorliegenden Fall machen.“ 

Börger setzte ein fieses Grinsen auf und  es hatte den Anschein, als würde er sich noch nicht geschlagen geben. „Diesen Spruch habe ich von ihnen schon so oft gehört Herr Krüger! Lassen sie sich doch mal was Neues einfallen. Aber es ist eh ihre letzte Woche bei der Kripo. Sie brauchen sich jetzt keine Gedanken mehr über die kooperative Zusammenarbeit mit der Presse machen.“

Verdammt, woher wusste Börger, dass es seine letzte Dienstwoche bei der Polizei war?

„Wie ihnen ja bekannt sein dürfte, Herr Börger, haben wir auch eine eigene Pressestelle beim Präsidium. Da können sie es ja später mal versuchen und nun wünsche ich ihnen noch einen schönen Tag!“ Börger winkte ab und trottete zu seinem Volvo. „Ihnen noch eine schöne Zeit als frischgebackener Ruheständler!“ 

„Muss denn jeder wissen, dass ich in Pension gehe, ich bin doch schließlich kein Promi?“

Karlo Josten lachte und öffnete Martin Krüger die Beifahrertür. „Nun, schließlich geht mit dir ein Stück Zeitgeschichte der Duisburger Kripo zu Ende.“

Krüger schmunzelte und schüttelte den Kopf.

Sie fuhren zum Präsidium zurück. Die endlose Autoschlange schlängelte sich durch das Zentrum. Der Himmel war wieder grau verhangen und es roch nach Regen.

 

Martin hatte plötzlich diese eigenartigen Gedanken. Der Tag damals – als er und seine Isabelle durch den Zoo gingen. Sie hatten sich so sehnsüchtig Kinder gewünscht.

Eine Schwangerschaft bei Isabelle blieb jedoch aus. Die  Arztbesuche waren letzten Endes erfolglos geblieben.

Martin hatte manchmal befürchtet, dass Isabelle ihn verlassen würde. Sie war eine fantastische Frau, deren Schönheit auch anderen Männern nicht entging. Sie hatte als Lehrerin bereits vor einem halben Jahr das Pensionsalter erreicht. Es war erstaunlich, wie gut sie damit zurecht kam.

Der Zivilwagen erreichte die Tiefgarage. Hier unten stank es nach Abgasen und Altöl, obwohl die Abzugsanlage auf Hochtouren lief. Die beiden Männer betraten den Fahrstuhl und fuhren in den fünften Stock. Na ja, hin und wieder würde Martin Krüger hier noch zur Dienststelle kommen. Dort war ja auch die Seniorenanlaufstelle eingerichtet worden. Damals hatte sich Martin über ältere Kolleginnen und Kollegen lustig gemacht. Jetzt wurde er selber einer von ihnen.

Das Läuten der Fahrstuhlglocke riss Krüger aus seinen Gedanken. „Der Gerichtsmediziner ist kurz nachdem wir abgehauen sind zum Tatort gekommen!“ Karlo Josten hatte sich in seinem Notizbuch die wichtigsten Eintragungen gemacht, die er anschließend für den Bericht benötigte.

„Wieso wusste Börger, dass es sich um eine Familie und um einen Mord gehandelt hatte?“ Karlo strich sich über sein Kinn. „Die Nachbarn müssen auch noch vernommen werden! Vielleicht hat es in dieser Familie schon häufiger Streit gegeben?“

Als die beiden das Büro betraten, begann der Himmel seine Schleusen zu öffnen. Es regnete Bindfäden. Das Firmament hatte sich bedrohlich verfinstert. An diesem Tage passierte zum Glück nichts mehr. Sie konnten das Präsidium pünktlich verlassen und Martin freute sich auf seine Isabelle.

Die Scheibenwischer hatte alle Mühe, gegen den Sturzbach anzukämpfen. Martin fühlte sich leer und ausgelaugt.

Er hatte die Fürstenstraße erreicht und parkte direkt vor der Garage, die mit Zeug und Krams vollgestopft war. Er hatte in den kommenden Wochen genug Zeit, den ganzen Müll beim Werkstoffhof zu entsorgen.

 

Als er die Wohnungstür aufschloss, wurde er bereits von den zwei Vierbeinern sehnsüchtig erwartet. Die Jack-Russell Terrier vollzogen wie an jedem Tag das Begrüßungsritual.

Krüger hatte sich zwei kleine Leckereien in die Manteltasche gesteckt. „Isabelle! Bist du da?“

Er betrat die Küche, dort lag auf dem Küchentisch die handgeschriebene Notiz. „Bin noch kurz in die Stadt, um Aquarellfarben zu kaufen. Liebste Grüße deine Isabelle!“

Isabelle hatte schon seit Jahren ihr Hobby und jetzt hatte sie noch mehr Zeit für die Malerei. Anders war es bei ihm, er hatte sich nie weitere Hobbys zugelegt. Vielleicht sollte er sich wieder intensiver mit den Kampfkünsten befassen. Er hatte viele Jahre Karate trainiert und sich zuletzt dem Kendo verschrieben. Aber in den letzten Monaten hatte er sich nicht mehr so viel aus Kampfkunst gemacht.

Auf dem Herd stand der Eintopf und Martin ließ es sich schmecken. Just kehrte Isabelle zurück und das energische Aufschließen der Wohnungstür verriet sie.

„Hallo Schatz! Ich hatte nur noch ein paar Farben gekauft, du weißt doch, für das Landschaftsbild!“ Isabelle küsste ihren Mann auf die Wange und eilte dann in das kleine Arbeitszimmer.

Als Martin gegessen hatte, betrat er das liebevoll eingerichtete Atelier. Isabelle saß wie gewöhnlich mit dem Rücken zum Fenster und blickte verträumt auf die Staffelei.

Schließlich sollte Martin das Bild nicht vor dem letzten Pinselstrich zu sehen bekommen. Isabelle hatte ihm erklärt, dass es Unglück bringt, wenn er oder irgendjemand anders das Bild vor der Fertigstellung zu Gesicht bekommt.

„Na Schatz! Wie war dein heutiger Tag?“

„Frag lieber nicht, wir hatten einen Mordfall, ein junger Familienvater hat seine ganze Familie und dann sich selbst getötet. Er hat seine Frau und seine Kinder auf eine bestialische Art hingerichtet. Zu einem Einsatz des SEK ist es nicht mehr gekommen. War schon zu spät! Dieser arme, irre Teufel hat sich zum Schluss selbst gerichtet!“

„Ach du meine Güte! Warum müssen Menschen zu solchen, grauenvollen Endlösungen hingerissen werden?“

„Ja, trotz meiner ganzen Dienstjahre habe ich das bis zum heutigen Tage auch nie begriffen. Irgendwie komme ich auch noch nicht damit zurecht, ich meine, dass meine Dienstzeit jetzt endgültig zu Ende ist.“

Isabelle stand auf und nahm ihren Mann zärtlich in den Arm. Sie war eine attraktive Frau und hatte so manchem männlichen Schüler den Kopf verdreht. Die beiden küssten sich heiß und innig.

Martin Krüger fühlte sich sofort viel besser.

Sie hatten eine sehr nette, hübsche Eigentumswohnung. Isabelle hatte ein Talent dafür, das Domizil mit viel Hingabe und Kreativität einzurichten.

Vor ein paar Jahren hatten die beiden geplant, sich ein kleines Häuschen im Grünen zu kaufen. Sie hatten das besagte Objekt besichtigt, dabei ist es aber dann geblieben. Sie hatten die vielen Jahre ihrer Ehe in dieser Wohnung gelebt. Das Glück war stets auf ihrer Seite gewesen und viele gemeinsame Urlaube auf Mallorca hatten für nötigen Tapetenwechsel gesorgt.

 
Top